In unserem zweiten Einblick in die Einstellungen der Österreicher:innen zur Außen- und Sicherheitspolitik beschäftigen wir uns mit dem Thema Nachbarschaft und dem Selbstbild, das Österreich aus Sicht der Befragten von sich in der Welt vermitteln will (dem sogenannten “nation branding”). Geographische Nähe spielt eine große Rolle für die Außenpolitik und Beziehungen von Staaten. So zeigt die Forschung von Kristian Skrede Gleditsch (siehe All International Politics Is Local), dass die geographische Nähe von Staaten ihre gegenseitige Abhängigkeit erhöht. Staaten, die sich in einem konfliktträchtigen Umfeld befinden, werden mit höherer Wahrscheinlichkeit in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt. Umgekehrt profitieren Staaten von stabiler Demokratie und wirtschaftlichem Wohlstand in ihrem Umnfeld. Es verwundert daher nicht, dass Nachbarschaftspolitik eine der Säulen österreichischer Außenpolitik in der Zweiten Republik ist.1 Nation-branding, also wie sich ein Staat nach außen präsentiert, ist eine Möglichkeit, um das Ansehen und damit den Einfluss im näheren und weiteren Umfeld zu beeinflussen.2
In Modul 11 unseres AFP3-Projektes haben wir daher die Österreicher:innen gefragt, wie sie die Beziehungen Österreichs zu den unmittelbaren Nachbarstaaten bewerten, zu welchen Staaten Österreich global gute Beziehungen unterhalten sollte, welchen Einfluss Österreich in der internationalen Politik hat, woher dieser Einfluss stammt und welches Bild Österreich von sich in der Welt transportieren sollte.
Auf die Frage “Wie ist Ihrer Meinung nach Österreichs Einfluss in der Welt?” antworteten 56,10 % der Befragten mit “gering/sehr gering” und 38,42 % glauben, dass Österreich nur “mäßig” Einfluss hat. Dafür waren aber 50,97 % davon überzeugt, dass Österreich weltweit ein “gutes/sehr gutes” Ansehen hat, wofür vor allem der Tourismus (35,77 %) und die österreichische Kultur (37,14 %) verantwortlich gemacht werden. Österreichs Rolle als Standort internationaler Organisationen (23,39 %), als diplomatische Drehscheibe (12,81 %) oder als wohlhabendes Land (20,67 %) scheinen dafür nur nachrangig von Bedeutung zu sein.
Auf die Frage, zu welchen Nachbarstaaten Österreich gute Beziehungen unterhält zeigt sich, dass die Österreicher:innen vor allem gegenüber den westlichen Nachbarstaaten wie Deutschland, Lichtenstein und der Schweiz ein positives Bild haben, während die Beziehungen zur Slowakei und besonders zu Ungarn als weniger positiv bewertet werden. Spannend in diesem Zusammenhang ist, dass es hier kaum Unterschiede zwischen den Bundesländern gibt. Das heißt, die positive Sichtweise von Deutschland oder der Schweiz ist unabhängig davon, ob Befragte aus einem Bundesland stammten, das direkt an diese Staaten angrenzt oder nicht. Gleiches gilt für die weniger positive Haltung gegenüber der Slowakei und Ungarn.
Spannend ist auch die Frage, zu welchen Staaten Österreich global gute Beziehungen unterhalten sollte. Hier erkennt man eine klare Präferenz für die unmittelbare Nachbarschaft und für die “Westorientierung” der Österreicher:innen. Deutschland, Italien und Frankreich führen diese Rangliste eindeutig an, gefolgt von den USA und Großbritannien. Staaten wie die Volksrepublik China, Japan oder Indien folgen mit Respektabstand, aufstrebende Nationen wie Brasilien, Südafrika oder Nigeria spielen nur eine untergeordnete Rolle.
In diesem Zusammenhang ist es auch interessant zu sehen, wie das Wahlverhalten der Befragten diese Sicht beeinflusst. Nur rund 21,83 % der Befragten waren der Meinung, Österreich solle gute Beziehungen Russland pflegen. Während von diesen 21,83 % der Befragten aber vor allem Wähler:innen der FPÖ (29,66 %) und ÖVP (27,35 %) dieser Meinung waren, zeigten sich Wähler:innen von SPÖ (15,81 %), den Grünen (9,59 %), den NEOS (4,26 %) und der KPÖ (1,95 %) hier sehr skeptisch.
Abschließend wollten wir auch wissen, welches Bild von sich Österreich laut den Befragen nach außen transportieren sollte. Die Befragten waren hier überwiegend der Meinung, Österreich solle sich vor allem als Sportnation (73,64 %), Tourismusnation (57,5 %), Friedensnation (53,54 %), Naturnation (52,65 %) und Kulturnation (50,18 %) präsentieren. Das Bild einer Wirtschafts-, Diplomatie-, Bildungs- und Innovationsnation war für die Befragten hingegen weitaus weniger relevanter (zwischen 32 und 39 %).
Alle Details finden sich wie immer auf dem Dashboard. Wer noch mehr zu diesem Thema erfahren will, kann gerne Kontakt zu uns aufnehmen. Wir freuen uns auf jedes Feedback.
Fußnoten
Siehe Website des Außenministeriums und Senn, M., Eder, F., Kornprobst, M. (2023). Die Außenpolitik Österreichs in der Zweiten Republik: Befunde und Empfehlungen. In: Senn, M., Eder, F., Kornprobst, M. (eds) Handbuch Außenpolitik Österreichs. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37274-3_37.↩︎
Siehe Christopher S. Browning, 2023, Nation Branding and International Politics, McGill-Queen’s University Press. https://doi.org/10.1515/9780228019459.↩︎